Angeregt durch einen Fall skandalöser Selbstüberschätzung eines Autoren, der gegen die schlechte Kritik eines Bloggers gerichtlich vorgehen wollte, möchte ich die Gelegenheit nutzen, einmal ganz persönlich und subjektiv über die Bloggerkultur zu schreiben. Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder der Weisheit letztes Wort. Ich berichte vielmehr aus einem Umfeld, in dem ich seit gut sieben Jahren selber aktiv bin.
Als ich 2005 meinen ersten Blog eröffnete, steckte das Genre mehr oder weniger noch in den Kinderschuhen. Die Technik war unausgereift und die Gemeinschaft übersichtlich. Seither hat sich viel verändert, wer heute bloggt, hat die Qual der Wahl und kann sich aussuchen, ob ihm eine aktive Community, guter Support oder große Variabilität beim Design am wichtigsten ist. Es haben sich Nischen gebildet, selbst einige Größen sind daraus hervorgegangen, vor allem aber ist eine enorme Vielfalt entstanden. Mittlerweile wird über praktisch alles gebloggt, gewiss auch über viel Unsinn. Aber wer wollte behaupten, dass in Zeitschriften nicht ab und zu auch mal welcher steht?
Natürlich hat jeder Blogger ein anderes Anliegen. Manche haben vielleicht auch keines und suchen nur eine Plattform, um sich selbst zu präsentieren. Einige sind dem guten alten Tagebuch treu geblieben und nutzen ihr Blog, um mit anderen Menschen über alltägliche Erlebnisse ins Gespräch zu kommen. Andere schreiben über Politik, über Literatur, Filme, Musik, Kunst, Mode und die ganze Bandbreite der Kultur. In gewisser Weise hat eine Befreiung der Kultur stattgefunden, die zuvor nur in elitären Kreisen konsumiert und vor allem rezipiert wurde. Jeder kann heute ohne Probleme eine Filmkritik ins Netz stellen oder das neue Album seiner Lieblingsband rezensieren. Besagte elitäre Kreise finden das naturgemäß nicht so toll.
Es ist kaum ein Jahr her, dass Bundeskanzlerin Merkel die Blogger nicht nur allesamt über einen Kamm scherte, sondern im gleichen Atemzug auch noch beleidigte. Sie sprach ihnen einfach mal pauschal die Fähigkeit ab, qualitativ hochwertige Texte zu schreiben. Das war ein Schlag ins Gesicht für jeden denkenden Menschen, denn im Grunde sagte sie damit, dass nur gut und richtig schreiben kann, wer dafür auch bezahlt wird. Dabei wird genau andersrum ein Schuh daraus. Ich wäre allemal eher bereit, einem engagierten Blogger zu glauben als einem Zeitungsjournalisten, dessen Karriere davon abhängt, branchenkonform, politisch korrekt oder entsprechend der politischen Ausrichtung seiner Zeitung zu berichten.
Ich habe in den letzten sieben Jahren eine ganze Menge Blogger kennengelernt. Und dabei festgestellt, dass die meisten nicht nur ausgesprochen nett, sondern auch hoch intelligent sind. Viele haben studiert, manche sogar Fächer, die sie für eine Karriere im Journalismus qualifizieren würden. Zu behaupten, sie seien unfähig, entsprechende Texte zu schreiben, zeugt von einer gewaltigen Ignoranz. Diese Menschen begeistern sich für ein Thema und widmen sich ihm mit viel Leidenschaft – ohne Bezahlung und ausschließlich in ihrer Freizeit. Sie knüpfen Kontakte, tauschen sich aus und sorgen für eine lebendige Kultur.
Für mich persönlich ist Bloggen eine Art, mein Interesse an etwas auszudrücken. Schon lange, bevor ich meine Texte im Internet veröffentlicht habe, habe ich über alles geschrieben, was mich begeistert hat. Und wenn ich heute in meinem Blog einmal eine Episode einer Serie komplett verreiße, so ist das kein Ausdruck von Respektlosigkeit oder gar Bosheit, sondern nur meine Meinung, die oft genug viele andere nicht teilen. Gerade, weil ich eine Serie liebe, bin ich kritisch. Auf der anderen Seite weiß ich es aber auch zu schätzen, wenn eine Folge besonders gut ist. Viele Serienproduzenten, aber auch einige Schriftsteller wissen längst, wie wichtig die Bloggergemeinde ist, sie greifen Kritik und Anregungen auf oder treten sogar in direkten Kontakt.
Längst wird schon wieder das Ende des Web 2.0 beschworen, vorwiegend von der sogenannten Elite. Tatsächlich wird sich die Tendenz zum Blog vermutlich noch verstärken, denn in den offiziellen Medien wird mittlerweile schamlos zensiert und offen Lobbyarbeit betrieben. Abseits der etablierten Medien kann man dagegen mehr denn je investigativen Journalismus finden, der einem keine vorgefertigte Meinung in glatten Worthülsen serviert, sondern zum eigenen Beobachten und Denken anregt. Deshalb wird es Zeit, dass wir Blogger unsere Arbeit endlich selber ernst nehmen und uns nicht länger kleinreden lassen. Unsere Meinung zählt.