Kleider machen Leute | Die Bedeutung von Kleidung in Serien

In Serien geht nie jemand auf die Toilette. Viele Leute in Serien scheinen auch keinen Job zu haben, dafür unglaublich viel Freizeit, die sie schwatzend in Bars und Cafés verbringen. Und einfach jeder hat einen exzellenten Musikgeschmack. Es gibt viele Gründe, warum Serien unrealistisch sind, einen der wichtigsten nehmen die meisten Zuschauer kurioserweise aber gar nicht wahr: Die Leute in Serien tragen niemals ein Kleidungsstück zweimal.

Als Autor ist man sich häufig dessen bewusst, dass die Kunst, Geschichten zu erzählen, zu einem Großteil darin besteht, die langweiligen Passagen wegzulassen. Der Leser oder auch Zuschauer ist durchaus bereit, über gewisse Diskrepanzen zum echten Leben hinwegzusehen, wie beispielsweise über die Tatsache, dass nie ein Protagonist auf die Toilette muss. Das ist uninteressant, jeder Mensch weiß, dass jeder Mensch es tut, also muss man es nicht auch noch zeigen. Bei der Kleidungsproblematik liegt die Sache ein wenig anders, denn im normalen Leben kennt man den Inhalt des Kleiderschranks einer Person, mit der man viel Zeit verbringt, ziemlich schnell. Überträgt man das auf eine Serie, so müssten sich die Kleidungsstücke nach spätestens zwei Staffeln wenigstens ab und zu wiederholen. Sie tun es nicht. Und das hat weniger mit kreativer Auslassung als mit dem Bedienen von Trends zu tun.

Ich möchte behaupten, dass das Phänomen erstmals bei „Buffy“ so richtig auffiel. Das Fandom wuchs rasant, deshalb wurde der Serie fast automatisch eine Funktion als Trendmacher auferlegt, und spätestens ab der vierten Staffel gab man sich auch gar keine Mühe mehr, das noch zu verschleiern. Da trug die Heldin immer die hippsten Klamotten und den kampftauglichsten Schmuck, und selbst eine Willow, die anfangs noch liebenswert nerdig in Latzhosen oder bunten Strumpfhosen herumlief, bekam mit einem Mal Hippieblusen und lustige Motto-Shirts verpasst. Ein wenig albern war das schon, schließlich hatte man nie den Eindruck, dass die alle so unglaublich reich sind, dass sie an 365 Tagen im Jahr niemals dasselbe Shirt tragen müssen. Andererseits hatte das natürlich seinen Zweck, und ich würde lügen, wollte ich behaupten, ich hätte niemals einen Trend aus „Buffy“ nachgeahmt.

Kleider sagen etwas über den Menschen aus, der sie trägt. Einige sind vielleicht trendbewusster als andere, aber letzten Endes entwickelt jeder im Laufe seines Lebens eine Art von persönlichem Stil. Es ist naheliegend, diese einfache Methode zu nutzen, um auch Serienfiguren zu charakterisieren. Ein Luke bei den ansonsten sehr abwechslungsreich gekleideten „Gilmore Girls“ beispielsweise gibt mit seinem Portfolio aus gefühlten drei Holzfällerhemden und einer Allwetterjacke das Statement eines Naturburschen ab, der sich um Äußerlichkeiten nicht schert. Und wenn Leonard bei „The Big Bang Theory“ von seiner neuen Freundin komplett neu eingekleidet wird, dann merken wir als Zuschauer natürlich sofort, dass das nicht mehr die Person ist, die wir seit vier Staffeln kennen. (Weshalb er am Ende der Folge auch wieder zu seinen geliebten Kapuzenpullis zurückkehrt.)

Doch auch über die äußeren Umstände und die Lebensituation kann Kleidung etwas aussagen. In Serien wie „Star Trek“ oder „Battlestar Galactica“ mit einem militärischen Hintergrund tragen die Protagonisten vorwiegend Uniformen, die die Einzelperson unwichtig erscheinen lassen, nur als Teil eines großen Ganzen. Aber auch der Kontrast, wenn Figuren dann mal in Freizeitkleidung zu sehen sind, kann ganz aufschlussreich sein. Ein besonders spannendes Beispiel ist die noch relativ neue Serie „Falling Skies“, die die Folgen einer Alieninvasion zeigt. Die Menschen dort sind ständig auf der Flucht, leben in heruntergekommenen Schulgebäuden unter erbärmlichen Bedingungen und können sich noch nicht einmal regelmäßig waschen. Es ist der Produktion hoch anzurechnen, dass sich das auch in der Kleidung widerspiegelt, die kaum bis gar nicht wechselt und mit der Zeit auch sichtlich dreckiger wird. Das trägt entscheidend zur Glaubwürdigkeit der Geschichte bei, ist freilich aber nicht gerade ein Eldorado für neue Trends. Das Gegenbeispiel ist „Terra Nova“, denn woher die Leute 85 Millionen Jahre in der Vergangenheit ständig neue und offensichtlich modern gefertigte Kleidung herkriegen, das erschließt sich dem Zuschauer bislang nicht. Andererseits vertraut man vielleicht auch darauf, dass die gelegentlich durchs Bild rennenden Dinosaurier von solchen Fragen gewiss ablenken werden.

Es ist schwer einzuschätzen, welchen Stellenwert die Produzenten von Serien der Kleidung ihrer Protagonisten tatsächlich einräumen. In vielen Serien für die junge und trendbewusste Zielgruppe scheint sie lediglich das Ziel zu verfolgen, einzelne Marken zu bewerben, und steht in keinem direkten Verhältnis zum Charakter der Figuren. In einigen Jahren könnte das durchaus noch interessant werden, wenn die Trends längst andere sind und solche Serien ein ziemlich gutes Abbild ihrer Entstehungszeit liefern. Es sind vor allem die Genreserien, die sich zu dem Thema etwas mehr Gedanken zu machen scheinen, wohl auch, weil das Publikum ein anderes ist, nämlich erstens deutlich kleiner als bei Teenieserien, und zweitens auch nicht so interessiert an Mode. Aus erzählerischer Sicht ist es schade, dass die Möglichkeiten der Kleidung nicht viel mehr genutzt werden. Zumal es Serien gibt, in denen die Protagonisten eine Waschmaschine besitzen und sogar benutzen. Wozu jedoch … nun, das wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben.