In einem Interview bezüglich des nächsten „Star Trek“-Films hat J. J. Abrams kürzlich gesagt, dass es im Grunde zwar schade sei, dass ausgerechnet ein Franchise, das sich Toleranz und friedliches Miteinander auf die Fahnen geschrieben hat, niemals eine tatsächlich schwule Figur hatte, dass es letztendlich aber darauf ankäme, wohin sie mit der Story wollten. Ein Aufschrei des Entsetzens erschütterte das Fandom.
Das Thema Homosexualität in den Medien ist kompliziert. Schnell macht man sich verdächtig, ganz egal, welche Meinung man vertritt. Aber hilft uns der sprichwörtliche Quotenschwule wirklich weiter? Ist es sinnvoll, Homosexualität zu thematisieren, wenn sie am Ende doch immer problematisiert wird? Und wie vermeidet man als Autor eigentlich den Ruf eines Homophoben, wenn man lieber gute Geschichten erzählt statt seinem Publikum zwei Frauen zu zeigen, die sich gegenseitig abschlabbern? (Man mag einwenden, dass letzteres den Einschaltquoten vermutlich mehr hilft.)
Wenn man sich dieser Frage widmet, stolpert man sehr schnell über tiefe Gräben zwischen den Fans und muss sich bald die Frage stellen, was genau macht Science-Fiction eigentlich zu Science-Fiction? Es lässt sich kaum eine Geschichte, gleich welchen Genres, erzählen, ohne auf die Beziehungen zwischen den Figuren einzugehen. Es macht allerdings einen Unterschied, ob man eine Freundschaft, kollegiales Miteinander oder eine Liebesbeziehung zeigt, und genau hier liegt das Problem. Während die einen gerne reine Science-Fiction sehen möchten, in denen es in erster Linie um technische oder gesellschaftliche Fragen geht, um das sprichwörtliche Erforschen fremder Kulturen, geben andere ganz offen zu, dass sie es ziemlich langweilig finden, wenn ständig nur Raumschiffe durchs All schweben oder Planeten besucht werden, deren Bewohner eine komische Stirn haben.
Die offensichtliche Lösung wäre eine Mischung aus beidem, doch das ist ein schmaler Grat. Denkt man an die alte „Enterprise“, so hatten wir es da vor allem mit guten Kollegen zu tun, Freunden vielleicht, aber Sexualität spielte sich grundsätzlich nur zwischen Kirk und dem Chick of the Week ab. Zeiten ändern sich, und das führte dazu, dass wir bei „The Next Generation“ das genaue Gegenteil bekamen. Plötzlich waren alle dicke Freunde, und seien wir ehrlich, manchmal ging’s dort schlimmer zu als in einer Soap. (Mein persönlicher Tiefpunkt war erreicht, als sich Worf an Troi ranmachte, das war ein bisschen wie Bäumchen wechsel dich.) An diesen Problemen hat sich bis heute nichts geändert, auch bei „Battlestar Galactica“ trieb es jeder mit jedem, und manchmal blieb einem als Fan nur ein genervtes Seufzen, wenn zwischen Apollo und Starbuck schon wieder ein Drama inszeniert wurde. Geradezu lachen musste ich aber kürzlich bei „Falling Skies“, denn so innovativ und radikal die Serie auch ist, im Staffelfinale mussten sich die zwei Hauptfiguren dann leidenschaftlich küssen. Selbst wenn die Welt untergeht, sich die Leute seit Wochen nicht mehr gewaschen haben und monatelang die gleiche Kleidung tragen, der Held kriegt das Mädchen. Das ist Hollywood.
Kommen wir aber wieder zu den homosexuellen Beziehungen, meine erste bewusste Begegnung damit hatte ich bei „Buffy“. Und ironischerweise kann man diese Serie noch heute als eines der Beispiele anführen, wo das Thema sehr lebensnah behandelt wurde, ohne dass es allzu großen Raum innerhalb der Handlung einnahm. Dass sich Willow nach der Trennung von ihrem ersten Freund mit Tara anfreundete, war zunächst mal unverdächtig, sie hatten viel gemeinsam. Und danach entwickelte sich diese Beziehung so natürlich weiter, dass niemals wirklich erklärt werden musste, dass da zwei Frauen ineinander verliebt sind. Und das ist genau der Grund, warum es bei „Buffy“ so gut funktionierte. Die Beziehung zwischen Willow und Tara war Nebenprodukt der Gesamthandlung, genauso wie Buffy Beziehungen zu verschiedenen Männern hatte und Xander irgendwann Anya heiratete. Wenn sich Willow und Tara stritten, dann taten sie das nicht, weil sie zwei Frauen sind und lesbische Beziehungen irgendwie schwieriger sind, sondern weil sich Paare eben auch mal streiten. Die Liebesgeschichte war so perfekt in die Serienhandlung eingebettet, dass sie nie zum Selbstzweck wurde.
Dass sich viele darüber beklagten, dass es so lange dauerte, bis man einmal einen Kuss sah, geschweige denn mehr, mag in der Natur der Sache liegen. Tatsächlich hätte ich mir bei den heterosexuellen Beziehungen gelegentlich eine ähnliche Zurückhaltung gewünscht. In der heutigen Zeit mag es prüde klingen, sich darüber zu beklagen, aber immer häufiger bin ich von Liebesszenen in Filmen und Serien wirklich genervt. Nicht nur folgen sie meist direkt auf den ersten Kuss, so dass wir hinterher um die Erkenntnis reicher sind, dass die Beteiligten offenkundig promiskuitiv sind, es bringt vor allem in den meisten Fällen auch der Handlung nicht das geringste. Ich sage manchmal, solche Szenen sind wie eingebaute Pinkelpausen, man verpasst ja nichts.
Seit „Buffy“ hat sich eine Menge geändert. Es gehört heute zum guten Ton, in jeder Serie mindestens einen Schwulen oder eine Lesbe zu haben, und genau hier zeigt sich bereits, warum das in aller Regel mehr schadet als nützt. Die Serienverantwortlichen bestimmen aus politischen Gründen, dass jemand homosexuell zu sein hat, zum einen völlig unabhängig von der Figur und ihrer Persönlichkeit, zum anderen blind gegenüber der Story, die eine Serie erzählen will. Ich weiß, dass das eine unpopuläre Meinung ist, aber aller politischen Korrektheit zum Trotz kann es doch nicht Ziel sein, in jeder Serie praktisch dasselbe Thema zu behandeln. Mehr noch, es auch zu problematisieren. Homosexuelle Beziehungen stehen nie gleichwertig neben den heterosexuellen, entweder werden sie verboten/unterdrückt/versteckt oder sie sind natürlich viel besser/harmonischer/stabiler. Dasselbe gilt für die jeweiligen Figuren, sie sind entweder reine Stereotypen, die der Akzeptanz von Homosexualität mehr schaden als nützen, oder es sind wahre Übermenschen, die in irgendetwas besser sind, eben weil sie schwul oder lesbisch sind.
Nun mag „Star Trek“ ein Sonderfall sein. Und es ist tatsächlich überraschend, dass Homosexualität dort nie ein Thema war, obwohl die Serien immer auf jeweils aktuelle gesellschaftliche Strömungen eingingen und oftmals auch Tabus brachen. Der erste Kuss zwischen einem Weißen und einer Farbigen wird in dem Zusammenhang gerne zitiert. Was hier aber gerne übersehen wird: Auch wenn die Außenwelt schockiert darauf reagierte, war das innerhalb des „Star Trek“-Universums Normalität und wurde uns auch als solche präsentiert. Was genau also erwarten Fans, wenn sie nach einer schwulen Figur verlangen? Konsequent wäre es, wenn zwei gleichgeschlechtliche Crewmitglieder kurz Händchen haltend gezeigt werden, ohne dass es weiter in die Handlung hineinspielt. Denn das wäre das Universum, das „Star Trek“ uns zeigt, in dem es egal ist, wer mit wem. Vermutlich würde das die Debatte aber noch verschärfen, denn seien wir ehrlich, zufrieden wären die Fans erst, wenn sich Captain Kirk und Mister Spock in den Armen liegen.
In dem Zusammenhang muss ich auch auf das Fandom eingehen. Es ist kein Geheimnis, dass ich selbst zu jenen gehöre, die bei jedem sich innerhalb einer Serie abzeichnenden Paar mitfiebern. Gelegentlich bin ich sogar der Meinung, dass die Autoren ein vielversprechendes Paar übersehen. Was allerdings derzeit im Fandom passiert, dass kann nicht mehr als normal bezeichnet werden, denn dort werden mittlerweile fast ausschließlich schwule Paare kolportiert, insbesondere solche, die innerhalb der jeweiligen Serienmythologie undenkbar wären. Es ist, als hätten auf einen Schlag alle Frauen (und es sind Frauen, das beweist das fast vollständige Fehlen von lesbischen Paarungen in solchen Szenarios) die Fähigkeit verloren, zwischenmenschliches Miteinander richtig zu deuten. Zwei Kerle verstehen sich ausnehmend gut und scherzen miteinander? Die himmeln sich heimlich an! Sie gehen nach der Arbeit noch zusammen einen trinken? Die landen heute noch zusammen im Bett! Was ist so verkehrt daran, wenn zwei Männer einfach nur befreundet sind? Tatsächlich wäre das, legt man zugrunde, dass sie im anderen Fall eine uninspirierte Liebesszene bekämen, sogar um einiges spannender, denn Freundschaften haben ganz andere Regeln und Dynamiken. (Gerade deshalb ist die ungleiche Freundschaft zwischen Kirk und Spock so interessant, und nicht etwa, weil sie nach Dienstschluss miteinander poppen.) Das ist für die normalen Fans einerseits sehr störend, weil so etwas den normalen Umgang mit der jeweiligen Serie mengenmäßig erschlägt, andererseits hilft es den wirklich homosexuellen Menschen nicht weiter. Was hier produziert wird, ist nichts anderes als Porno. Der lächerlichen Sorte.
Womit wir wieder bei der Frage wären, ist es schlimm, dass J. J. Abrams die Problematik offenbar egal ist? Vielleicht, das hängt davon ab, wie sehr man selbst betroffen ist und wie hoch man den Einfluss von „Star Trek“ in der Gesellschaft einschätzt. Persönlich würde ich sagen, ein Film ist nicht der richtige Ort dafür. Macht man es zu einem wesentlichen Bestandteil der Handlung, ist die Chance vertan, eine Zukunft zu zeigen, in der Homosexualität eben nichts Besonderes mehr ist, sondern Alltag. Versteckt man es hingegen irgendwo im Hintergrund, wäre das für Kritiker erst recht ein gefundenes Fressen. Ideal wäre es als Bestandteil einer neuen Serie, denn dort spielen Beziehungen sowieso eine größere Rolle. Das böte die Gelegenheit, sich dem Thema unverkrampft zu widmen, und das „Star Trek“-Universum so zu zeigen, wie es sich die Fans inzwischen ohnehin vorstellen: Als Ort der Toleranz und der vielfältigen Möglichkeiten. Denn wie sagte mir eine Freundin während der Vorbereitungen zu diesem Artikel? Am Ziel sind wir erst, wenn wir nicht mehr drüber sprechen müssen.
Nachsatz: Auch wenn ihr anderer Meinung seid, bleibt in den Kommentaren bitte trotzdem fair. Ich habe versucht, aus der Sicht von Autoren zu argumentieren, die grundsätzlich eine andere ist als die des Zuschauers.